Die Stadtkapelle Giengen bot in der Stadtkirche ein beeindruckendes, anspruchsvolles Konzert
Gut besucht war die Stadtkirche Giengen am Samstagabend beim beeindruckenden Konzert der Stadtkapelle Giengen. Stadtkapellmeister Edgar Bürger bot mit seiner stattlichen Truppe ein
anspruchsvolles Programm.
„La R´ejouissance“, das Allegro aus Händels „Feuerwerksmusik“, lebte vom sicheren Zusammenspiel von tiefem Blech und taktsicher gespielten Flöten und Klarinetten. Es waren zwar keine
24 Oboen und 12 Fagotte am Werk, wie es Händel nach dem Wunsch König Georgs des Ersten von England nach der heiteren Beschreibung von Ursula Wilhelm vorgesehen hatte, aber die
kristallklaren Trompetensignale und die sonoren Saxophon-und Klarinettenfiguren vermittelten die festliche Atmosphäre einer royalen Siegesfeier.
Barocke Klangpracht sowie das empfindsam dargebotene Siciliano „La Paix“ zeigten ein bemerkenswertes spielerisches Niveau, wenn auch die Bässe bisweilen etwas schwammig
wirkten. Edgar Bürgers forderndes wie geschmeidiges Dirigat bewirkte ein harmonisch abgestimmtes Spiel mit sauberen Einsätzen und diszipliniert gestalteten Ausformungen.
Der unerschöpfliche Reichtum an Farben und Stimmungen bei Verdis Ouverture zu „Die Macht
des Schicksals“ nach einer stimmigen Bearbeitung des Schweizers Franco Cesarini hatte im Spiel der Stadtkapelle eine bewegende Dramatik. Donnernde Helikone wetteiferten mit pointiert
geführten Klarinetten und Saxophonen. Bemerkenswert war, dass sogar die Bassklarinetten deutlich herauszuhören waren, was bei einem so gewaltigen Klangkörper keineswegs
selbstverständlich ist. Sorgfältig differenzierte Klanggestaltung war eine der Stärken des Orchesters, das die Hauptmotive der Oper in der Ouvertüre, etwa das bekannte
„Schicksalsmotiv,“ mit einer fast kraftvollen, tiefen Empfindsamkeit darbot.
Gespannt war man auf „Kol Nidrei“ für Violoncello undOrchester von Max Bruch. In ihrer sachkundigen Moderation erklärte Ulrike Steigmajer die Bedeutung des jüdischen Gebets, das den Widerruf von oft erzwungenenGelübden zum Inhalt hat und am Abend vor dem Versöhnungstag Jom Kippur gesprochen wird. Es sei auch, so Steigmajer, als Erlaubnis verstanden worden, „mit den Übeltätern zu beten“.
Verträumt und zärtlich begannen die Klarinetten und Flöten; und Roman Guggenberger überzeugte auf dem Cello mit einem warmen, gediegenen Ton. Exakte Lagenwechsel, präzise wie
elegante Bogenführung zeigten einen Spieler, der sich sensibel zeigte für dynamische und klangliche Balance. Guggenbergers technischer Esprit, sein gestalterisches Können bei einem
ungewöhnlich farbenreichen Klang begeisterte.
Das wohl populärste Werk des Nürnberger Barockkomponisten Johann Pachelbel, der wegen seiner prägnanten Harmoniefolgen in allen Musikrichtungen durchvariierte „Kanon“, erklang in einem
Arrangement von Calvin Custer. Ursprünglich für drei Violinen und Continuo vorgesehen, verblüffte diese Version beim Giengener Orchester durch subtile Bässe, denen die Trompeten und
dann die Klarinetten folgten, dazu Triangel und Becken. Klare Einsätze beeindruckten ebenso wie die spielerische Disziplin.
Der machtvolle spätromantische Zauber von Camille Saint-Saens' Orgelsymphonie Nr. 3 c-moll glänzte nicht nur im Spiel mit fünf Hörnern und drei Posaunen. Das brausende Forte im zweiten Satz kontrastierte apart zum dezenten Orgelspiel von Ursula Wilhelm. Obwohl die Orgel keine besondere Rolle im Stück spielte, brachte das Orgelmotiv doch mächtige Farben in das Klangspektrum. Der begeisternde Musikabend wurde mit dem markanten „Exodus“ von Ernest Gold aus dem Film nach dem gleichnamigen Roman von Leon Uris beendet.
„Klasse waret dia, oder net?“ war einer der begeisterten Kommentare, die beim Hinausgehen zu hörenwaren. Dem konnte man nur zustimmen.
Hans-Peter Leitenberger