Chronik von 1953 bis 1993


Jörg Ehrlinger

Die Geburtsstunde des Musikvereins...


Die „Heimat“ unserer Stadtkapelle: Musikverein Giengen/Brenz e.V.

Wenn man die langjährige Tradition der Stadtkapelle in Giengen mit ihren 150 Jahren betrachtet, nimmt sich ein Jubiläum „50 Jahre Musikverein“ vergleichsweise bescheiden aus. Aber vergessen wir nicht: Mit der Gründung am 26. April 1953 schlug auch die Geburtsstunde für jene Gemeinschaft, die in weiterer Folge sozusagen die „Trägerorganisation“ unserer Stadtkapelle sein durfte.

Den seinerzeitigen Gründungsmitgliedern die allesamt unseren Respekt und Dank verdienen ging es einzig darum, volkstümlicher und konzertanter Blasmusik auch nach außen hin jene Geltung zu verschaffen, die sie schon seit mehreren Generationen im kulturellen Leben unserer Stadt innehatte. Und wichtiger noch: Mit der Gründung des Musikvereins wurde gleichzeitig jene Grundlage geschaffen, die unbedingte Voraussetzung für einen weiteren Ausbau war. Freunde und Förderer, Kulturschaffende und Musikinteressierte aus unserer Stadt „mitzunehmen“ auf eine lange musikalische Reise über Zeiten und Generationen hinweg das war der wichtigste Gründungsanlass!

Groß war deshalb sofort die Resonanz alsbald fand sich eine stattliche Zahl von Mitgliedern, die durch ihren Beitrag dem Verein die dringend notwendige Unterstützung zukommen ließen. In der Gründungsversammlung wurde Ernst Kaufmann, damals auch als gewichtige unternehmer-ische Persönlichkeit unserer Stadt hoch angesehen, zum ersten Vorsitzenden gewählt. 

Alfred Engmann, vormals Corpsführer bei einer Ulmer Militärmusik, wurde zum ersten Dirigenten bestellt. Nach zweijähriger Stabführung musste er aus beruflichen Gründen seine Funktion abgeben.

In Personalunion übernahm Vorstand Ernst Kaufmann sodann auch diese Aufgabe. Auf Dauer gesehen konnten aber die beiden verantwortungsvollen Ämter des Musikvereins nicht in einer Hand vereinigt bleiben. In der Hauptversammlung am 3. Mai 1958 wurde die somit erforder-liche „Ämterteilung“ in dergestalt vollzogen, dass Lagerhausbesitzer Anton Zirn zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde. Ernst Kaufmann behielt den Taktstock bis zu seinem Ableben im März 1960.


Unvergessen: Er führte unsere Kapelle in beharrlichen Proben bis hin zur Kunststufe und begründete mit der Reihe unserer Herbstkonzerte des Musikvereins eine Tradition, die im Kulturleben unserer Stadt noch heute hohen Rang einnimmt.


ulbrich
Kinderfest 1976 |Stadtkapelle mit Kapellmeister A. Ulbrich


Auf Ernst Kaufmann folgte August Hekl als Dirigent, der bereits als Leiter der Jugendblaskapelle der städtischen Musikschule und stellvertretender Dirigent des Musikvereins seine Meriten besaß. Aber auch für ihn war die „Mehrfachfunktion“ eine auf Dauer nicht zumutbare Belastung so dass mit Kapellmeister Anton Ulbrich aus Burgau im Jahre 1961 ein weiterer Dirigent gewonnen werden konnte.


Titelverleihung “Stadtkapelle”...

Sechs Jahre nach der Gründung war nun mit dem 22. Oktober 1959 der Zeitpunkt gekommen, an dem unsere Kapelle mit Verleihung des Titels „Stadtkapelle“ sozusagen in die „offizielle Funktion“ als ein musikalischer Repräsentant und Botschafter unserer Stadt berufen wurde. Mit Nachdruck vollzog der Gemeinderat der Stadt Giengen mit dieser Berufung auch eine Leistungsanerkennung, zu der nicht zuletzt auch die Erfolge beitrugen, welche unsere Kapelle weit über die Stadtgrenzen hinaus erringen konnte. Bereits 1954 war die Kapelle mit Dirigent Alfred Engmann erfolgreich beim Bundesmusikfest in Aalen, unter Ernst Kauffmann gab man 1957 beim Bezirksmusikfest in Krumbach eine eindrucksvolle Visitenkarte ab.

Das Bezirksmusikfest 1960 in Schnaitheim markierte unter Dirigent August Heckl den höchsten Leistungs-stand mit der Teilnahme an der Oberstufe und bei 116 ½ erreichten Punkten mit der besten Bewertung im gesamten Bezirk!

Mit Kapellmeister Anton Ulbrich war unsere Stadtkapelle ab 1962 regelmäßiger aktiver Gast bei Musikfesten mit Wertungsspielen in der Oberstufe. Internationalen Wertungsrichtern und einer großen Konkurrenz stellte sich die Stadtkapelle Giengen bei den Bundesmusikfesten 1962 in Ludwigsburg, 1968 in Sindelfingen und 1974 in Ebingen.
 

Ton- und Filmaufnahmen...

Zur damaligen Zeit war auch der Süddeutsche Rundfunk in seiner Programmgestaltung an Tonauf-nahmen volkstümlicher und konzertanter Blasmusik interessiert. Wie findig man auch tontechnisch damals schon war zeigt sich daran, dass hier sogar unsere „alte Turnhalle“ an der Bergschule gute Dienste leisten konnte.

Bei der ersten Aufnahme einer eigenen Schallplatte am 29./30. Dezember 1976 forderten selten gespielte, historische Märsche aus Deutschland und Österreich unserer Kapelle ihr ganzes Können ab.

Um ein Dokument für spätere Zeiten zu besitzen, ließ eine umtriebige Vereinsleitung durch Helmut Lanz-inger auch einen Film drehen, der 1967 in der Stadthalle uraufgeführt wurde.

Weit über die Stadtgrenzen hinaus ging der Blick im Knüpfen freundschaftlicher Verbindungen mit auswärtigen und ausländischen Kapell-en. Anlässlich von Besuchen des Musikvereins anno 1966 bei der österreichischen Bergwerkskapelle Piberstein, anno 1971 bei der schweizerischen Musikgesellschaft Oppligen (Kanton Bern) und anno 1976 bei der französischen Societè de Music „Harmonie“ in Romanswiller (Basel/Rhin) wurden diese Verbindungen gepflegt und zu Freundschaften ausgebaut. Nicht minder eng und herzlich sind unsere Bande zu den Freunden des Musikvereins „Frisch voran“ aus dem nachbarlichen Syrgenstein.


Pro-Musica-Plakette...

Landrat Dr. Roland Würz war es, der am 19. August 1978 dem Musikverein Stadtkapelle e. V. anlässlich der 25-jährigen Jubiläumsfeier „für nachweisbare 125 Jahre Stadtkapelle“ die pro-Musika-Plakette überreichte. Im Dezember 1978 endete die „Dirigentenära Anton Ulbrich“, der nach 18-jähriger Tätigkeit aus Altersgründen ausschied und hochverdient zum Ehrendirigenten ernannt wurde.

In Horst Stöllger aus Ulm, einem ehe-maligen Militärmusiker und Korps-führer beim Heeresmusikkorps 10, konnte unsere Stadtkapelle einen Nachfolger von hoher Ambition und mit großem Durchsetzungsvermögen gewinnen!

Anlässlich der Hauptversammlung im Januar 1980 wurde der erste Vorsitzende Senator h. c. Anton Zirn in Würdigung seiner großen Verdienste um den Musikverein Stadtkapelle e. V. und für seine 22-jährige Vorstands-tätigkeit zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Den Vorsitz im Verein über-nahm Lothar Zirn, ein Sohn von Anton Zirn.

Anlässlich seiner 60-jährigen aktiven Musikerlaufbahn wurde bei der Weih-nachtsfeier 1980 unser langjähriges aktives Mitglied Johann Reible zum Ehrenmitglied ernannt. Damit erfuhr-en seine langjährige Treue, seine Tätigkeit als Notenwart, Geschäfts-führer und als Jugendausbilder die verdiente Würdigung.

Hans Schmid, letzter noch aktiv spielender Musiker der ehemaligen Stadtkapelle empfing im Dezember 1982 die verdiente Ernennung zum Ehrenmitglied aus den Händen des Ehrenvorsitzenden Anton Zirn. Sechzig Jahre war Hans Schmid als aktiver Musiker mit Leib und Seele für „seine Kapelle“ tätig!

Für seine Verdienste als langjähriger, stellvertretender Dirigent sowie als Lehrer und Leiter der Jugendblaskapelle der städtischen Musikschule wurde 1985 August Hekl mit der seltenen Auszeichnung des „Ehrendirigenten“ gewürdigt. August Hekl, der bei Erhalt dieser Auszeichnung bereits 75 Jahre alt war, konnte auf ein aktives Musikerleben von fünfundsechzig Jahren zurückblicken!


Sehr gute Ergebnisse mit MD Horst Stöllger...

Wie sehr sich die Ära „Horst Stöllger“ als glückliche Zeitepoche gestaltete, dokumentierte sich in einer ständigen Leistungssteigerung unserer Stadt-kapelle. Seine vielseitigen und lang-jährigen Erfahrungen als Kenner und Praktiker der Blasmusik brachte unserem über 50 Musiker zählenden Klangkörper herausragende Führung, die sich beim Wertungsspiel 1980 in Bachhagel mit dem Aufstieg in die Höchststufe eindrucksvoll bewies. Auch in den folgenden Jahren konnte unsere Kapelle bei diesen Wettbe-werben stets sehr gute Ergebnisse erspielen.


Stadtkapelle_1987
Stadtkapelle mit Musikdirektor Horst Stöllger im Jahr 1987


Wer aus dem „Leben“ des Musik-vereins Stadtkapelle der letzten Jahrzehnte berichtet, darf eines nicht vergessen: unser stetes Bewusstsein, dass wir auch musikalischer Repräsentant unserer Stadt sind. Als ein „klingender Botschafter“ Giengens’ musizierte unsere Kapelle unter Musikdirektor Horst Stöllger bei vielfältigsten Veranstaltungen im In- und Ausland. Höhepunkte der zurück-liegenden Jahre sind Konzertreisen 1980 nach Bad Wiesee und Rottach Egern, 1981 nach Baden-Baden und Bad Wildbad und 1984 nach Rothen-burg und Bad Windsheim. Jeweils vor großem Publikum konzertierte unsere Kapelle mit vielfach begeisterter Resonanz.

Bei den seinerzeit so populären „Hafenkonzerten“ des Südwestfunks war unsere Stadtkapelle sowohl 1981 als auch 1985 live zu hören. Eine weitere Langspielplatte wurde 1982 mit konzertanter Blasmusik durch einen amerikanischen Musikverlag eingespielt. 1985 gab es im großen Sendesaal der Villa Berg in Stuttgart eine Aufnahme unserer Stadtkapelle mit zeitgenössischen Werken deutscher Blasmusik-Komponisten. Als Patenkapelle der Stadtkapelle Wertingen wirkten wir 1986 bei einem großen Galakonzert mit sieben anderen Blasorchestern der internationalen Spitzenklasse mit. Der Bevölkerung unserer Stadt ist aus dem Jahr 1988 der gemeinsam mit dem Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr ausgeführte „Große Zapfenstreich“ unter der Gesamtleitung unseres Musik-direktors Horst Stöllger noch in bester Erinnerung.


“Ära Bürger”...

Wichtige Verdienste um die Nachwuchsförderung erwarb sich unser im Jahr 1988 zum ersten Vorsitzenden gewählter unvergessener Otto Kratschmayer, der die Basis für die Zusammenarbeit mit der Musikschule und vor allem mit dem Jugendblasorchester dieser städtischen Einrichtung entscheidend begründete. Dankbar vermerken wir, dass mit dem Jugendblasorchester vor allem auch durch die „stabführende Doppelfunktion“ unseres Stadtkapellmeisters Edgar Bürger für uns der Resonanzboden für Ausbildung und Nachwuchsförderung gegeben ist!

Anlässlich unserer Weihnachtsfeier im Jahr 1988 wurde Musikdirektor Horst Stöllger in Würdigung seiner Verdienste und seiner 10-jährigen Tätigkeit als Dirigent der Stadtkapelle zum dritten Ehrendirigenten des Vereins ernannt.

Nunmehr bereits seit 1989 liegt die musikalische Gesamtleitung und insbesondere die Verantwortung für den Musikverein Stadtkapelle bei Edgar Bürger. Als Lehrer und Dirigent des Jugendblasorchesters der Städtischen Musikschule konnte mit ihm ein qualifizierter Nachfolger in der eindrucksvollen Galerie zurück-liegender Dirigenten-Persönlichkeiten gefunden werden.

Sein hoher musikalischer Leistungs-anspruch, seine mitreißende Dynamik vor dem Hintergrund einer hochqualifizierten musikalischen Ausbildung prägen bis heute das weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannte hochrangige Leistungsbild unserer Kapelle. Anlässlich seines 10-jährigen Dirigenten-Jubiläums erfolgte hierfür auch die „offizielle Anerkennung“ des Gemeinderats der Stadt Giengen durch seine Ernennung zum Stadtkapellmeister.

Bei der Weihnachtsfeier 1989 wurden Otto Kratschmayer und Georg Bechler zu weiteren Ehrenmitgliedern ernannt und für 60-jährige Musikertätigkeit durch den Blasmusikerverband aus-gezeichnet. Otto Kratschmayer ge-hörte dem Musikverein seit seiner Gründung an und war in vielen ver-antwortlichen Funktionen vom Kass-ierer bis zum Vorstand hingebungs-voll tätig. Georg Bechler gehörte als Ausschussmitglied seit 1972 dem erweiterten Vorstand an. Mit den Geehrten wurden zugleich jene aktiven Musiker symbolisch ausgezeichnet, die nach dem Krieg in ihrer neuen Heimat Giengen das kulturelle Leben des Vereins und der Stadt nachhaltig mitprägten.

Nach dem Tod des Ersten Vorsitzenden Otto Kratschmayer im Jahre 1991 wurde anlässlich der Hauptversammlung 1992 die Lenkung des Musik-vereins Stadtkapelle e. V. neu strukturiert. Erstmals war nun mit Schaffung eines Vierergremiums ein Kollegial-Vorstand eingesetzt, um durch eine effizientere Aufgabenverteilung die Belastung und zeitliche Inanspruchnahme der einzelnen Vorstandsmit-glieder erträglich zu halten und zugleich auch im Teamgeist zusätzliche Energien freizusetzen!


Ins vierköpfige Vorstands-Team gewählt wurden Erich Böckh, Franz Holzer, Klaus Kübler und Karl Thumm.


gruppenbild
Stadtkapelle mit Edgar Bürger 1993